Ulla
Walter

Stockholmer Str.1
15566 SCHÖNEICHE
Tel./Fax (030) 6495047

Objektbilder


Die frühere Expressivität in den Bildern dieser Künstlerin - einst Meisterschülerin des „Alten Wilden“ Bernhard Heisig in Leipzig - ist gebändigt, aber nicht verlorengegangen. In subtile Farben mischt sich das grelle Bunt der TV - Welten. ... Seit 1983 lebt die Künstlerin in Schöneiche; die Erfahrungen mit der einstigen Industrie-landschaft ringsum - vor allem mit dem Rüdersdorfer Kalkabbau - beeinflussten ihr Werk in den 90er Jahren. Geologische, historische, ästhetische Eigenheiten der Region führten zu höchst eigenwilligen Bildvorstellun-gen. Der Ausgangspunkt ist jedoch keine romantische Versenkung in den ästhetischen Reiz fossiler Überlieferungen aus dem Paläozoi-kum oder heimattümelnde Industrienostalgie - sondern die Allgegenwärtigkeit von zivilisatorischer Leichtfertig-keit, von Verantwortungs-losigkeit und urbaner Zer-störung, wie sie dieses unerhört dynamische Jahrhundert hervorgebracht hat. Wo sich Vergangenes an die Oberfläche schiebt und eins wird mit heute Alltäglichem, liegt sozusagen der Stoff auf der Straße und wird zur Inspirationsquelle. Skulpturale Collagen mit dem Titel „Überreste“ oder Materialbilder wie „Steinschlag“ gehören zur ersten Periode. Aus blauem Grund ragen Sparren und Rippenfragmente und deuten das Thema an. Die Begegnung von Natur- und Kulturgestalt mischt sich zur eigenen Zeichensprache, die in der Lage ist, etwas über den Menschen als Gattungswesen mitzuteilen. „Steinschlag“ gehört zu den „tektonischen“ Bildern: Raum wird farbig und Farbe mittels Sedimenten erschaffen. Die Palette entwickelt sich vom Ocker-Grau der hineingearbeiteten Kalksplitter und findet Tiefe wiederum in abgründigem Blaugrau. Die Farbe, vermischt mit Mörtel oder Sand, verliert ihren fettigen Glanz und bekommt eine trocken - spröde, zuweilen glimmernde Oberfläche. Mit Objektbildern wie „Störfelder“, „Schlund“, „Luftbild“ kündigt sich eine neue Schaffensphase an. Gemeinsam mit ihrem Gefährten Andreas Merkel, der als Musiker den Audioreiz der Werke schuf, hat die Malerin ihr Ausdrucksspektrum um akustische, technisch - optische und mechanische Signale erweitert. Als Farbe dominieren nun erdige Rottöne. Archaische Gebilde wurden mit futuristischen verknüpft, die Linie als ästhetische, topographische und technische Gestalt entdeckt. Ulla Walter stellt sich hiermit in die Tradition der seit den 60er Jahren populären Bionik, die damals Ana-lysen der biologischen Funktionsweisen für die Architektur nutzte. Der Wandlung zu einer informationsbestimmten Welt widmet sich die Künstlerin als kritische Begleiterin, die ihre Kommentare („Audiozän“, „Elektro-nische Kulturen“) und Prognosen („Technischer Infekt“) liefert. So wird sie zu einer „Schwester“ der Science-fiction-Autoren, aber auch Kassandras, die sich über den begrenzten Erdenhorizont erhebt und kosmische Dimensionen in ihre Nachricht einbezieht. Der Bildraum als strukturelles Prinzip scheint durch Überdimensionierung aufgehoben. Von der Überschau unendlicher Dimensionen mutet alles Erdenhafte klein an, so klein, dass es mit einer motorisierten Lupe betrachtet werden muß („Drehsden“). Der Wert aller Erfindung, speziell jener der Speichereinheiten, liegt in der Verkleinerung, wie auch die Erbbotschaft im Mikromass der Chromosomen zu finden ist. Diese verbannt die Künstlerin, die durch ihre kybernetische Ausbildung auch befähigt ist, Bauteile selbst zu montieren, in eine Endzeitlandschaft und thematisiert so die uralte Frage nach dem Ewigen.